Macher und Gemachte

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  • Beitrag zuletzt geändert am:April 15, 2024

Für Paul

Es ist lange her, dass unsere Vorfahren zum ersten Mal etwas herstellten, z.B. einen steinernen Faustkeil oder Pfeil und Bogen. Vielleicht kam ihnen damals die Vorstellung vom Macher und Gemachten und dem Verhältnis der beiden zueinander. Sie haben den Bogen ausgedacht und hergestellt, der vorher nicht existierte. Muss demnach alles, was ist, von irgend jemandem erzeugt worden sein? Waren sie und die Welt um sie herum daher womöglich auch gemacht? Aber von wem? Mehrere Einsichten lagen auf der Hand: Macher und Gemachtes sind einander wesensfremd: Steine hämmern keine Faustkeile, Bäume schnitzen keine Pfeile und Bögen. Dazu kommt, dass das Gemachte einen Zweck erfüllt, der nur dem Macher dient. Und dass Zweck und Macher dem Gemachten zeitlich immer vorausgehen. Damit wurde evident: Der Macher der Welt kann nicht selbst von dieser sein, das wäre logisch widersprüchlich. Aber vielleicht hat der Macher, sprich Schöpfer der Welt, uns einen Hinweis auf seine Existenz und den uns bislang verborgenen Zweck hinterlassen. Die Menschen machten sich also auf die Suche…

Spulen wir ein paar hunderttausend Jahre – und damit endlos viele Geschichten und Gemetzel rund um das Thema – vor in die Neuzeit: Die Suche nach dem Macher hat sich als erfolglos erwiesen. Zwar ist nach wie vor seine (oder ihre) Existenz nicht ausgeschlossen, aber Konkretes und damit etwas, auf das sich alle vernünftigen Menschen verständigen könnten, wurde nicht gefunden. Dasselbe gilt für den verborgenen Zweck unserer Existenz, der angeblich vom Macher vorausgedacht wurde. Wir im Abendland haben uns nach langem Elend dazu durchgerungen, diese anscheinend doch höchstrelevanten Fragen aus dem Prozess der gemeinsamen Wahrheitsfindung zu verbannen ins Private. Da darf jeder munter weiter suchen, spekulieren, glauben und sich finden – oder auch nicht. So lange er oder sie die anderen damit in Ruhe lässt und ihnen dasselbe zuspricht, können wir in Frieden leben.

Statt dessen haben wir Aktivlinge uns zwei anderen Fragen zugewandt: 1.) Wie funktioniert die Welt bzw. was geschah bisher? und 2.) Wie können wir es uns in ihr gut einrichten? Während sich bei ersterer ein weltumspannender und (weitgehend) einheitlicher Wissenschaftsprozess (auf der Suche nach der Wahrheit) herausgebildet hat – es gibt keine chinesische Quantenphysik und keine amerikanische Kosmologie – so sieht das bei der zweiten Frage anders aus. Da gibt es sowohl auf politischer (Autoritarismus vs. Demokratie) wie auch privater Seite (Hedonismus vs. Gemeinwohlorientierung) große Spannbreiten, die beileibe auch nicht eindimensional zu erfassen sind.
Leider ist bei beiden Unternehmungen, oder besser: bei ihren Akteuren, eines zu kurz gekommen: Wir leben nicht in einer Welt ohne Grenzen, wo jeder alles machen darf, so lange er oder sie den Mitmenschen nicht unmittelbar schädigt. Wo sich alle nach Belieben vermehren oder auch alle Bodenschätze und Wälder nach Herzenslust plündern dürfen. Gerne schiebt man da ja einen Wachstumszwang vor, der das eigene Handeln als alternativlos darstellt. Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu begreifen, dass die heutige Lebensform – zumindest in den wirtschaftlich entwickelten Ländern – sich ihr Ende selbst bereitet. Und dass sie dabei viele jetzt und zukünftig lebende Menschen mit in den Abgrund zu ziehen droht. Doch ist diese “Lebensform” mit ihrem Konsumismus denn tatsächlich so attraktiv, wenn man sich nur als Exponenten den aktuellen Erfolg von TikTok und Temu anschaut? Ich glaube nicht.

Im Buch von Roger Willemsen “Wer wir waren” zitiert er Giambattista Vico von 1725 mit einer ernüchternden Erkenntnis: “Zuerst fühlen die Menschen das Notwendige, dann achten sie auf das Nützliche, darauf bemerken sie das Bequeme, weiterhin erfreuen sie sich am Gefälligen, später verdirbt sie der Luxus, schließlich werden sie toll und zerstören ihr Erbe”.

Was machen wir da? Ich meine, wir müssen Punkt 2 von oben erweitern um diese Perspektive: Wollen wir langfristig denken und uns hier auf Erden nicht nur irgendwie unbeschadet und bequem durchs Leben mogeln, bleibt nur eines: Die natürlichen Lebensgrundlagen aktiv zu schützen. Denn sonst wird allen anderen Unternehmungen und – hoffentlich friedlichen – Auseinandersetzungen schlicht der Boden entzogen. Anders als bei der Religion kommt es dabei darauf an, dass man / frau sich eben nicht ins Private zurückzieht, wie wir das bei heiklen Themen gelernt haben zu tun. So käme dann, geradezu durch die Hintertür, wieder ein durch größte Relevanz fundierter Sinn und Zweck ins – vielleicht objektiv als absurd erkannte – eigene Leben: Dafür zu sorgen, dass uns Machern das von uns Gemachte nicht auf die Füße fällt.

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