Repair-Café

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  • Beitrag zuletzt geändert am:Juni 15, 2023

Seit Jahren horte ich Elektrogeräte, die ich wegen – vermutlich geringer – Schäden nicht mehr nutzen kann. Was mache ich damit? Sie einfach zu entsorgen würde den Berg an Elektroschrott, dessen Größe sich allein in Deutschland im Jahre 2021 auf 376.748 Tonnen belief, nur noch weiter vergrößern. Ein eigener Reparaturversuch hingegen könnte gelingen, entsprechende Ausrüstung, Pläne, Ersatzteile, und vor allem genügend Zeit, Geduld und Risikobereitschaft vorausgesetzt. Das Gerät professionell reparieren zu lassen würde schnell die Frage nach der Wirtschaftlichkeit aufwerfen: Weil die Kosten für Reparaturen an Elektrogeräten schnell an den Kaufpreis heranreichen, überlegt man sich schon, ob man sich nicht stattdessen lieber das mittlerweile leistungsfähigere Nachfolgemodell als Neuware zulegt.

Erste Erkenntnis: Elektrogeräte sind so billig in der Anschaffung, dass sich eine Reparatur oft kaum lohnt. Sie sind es aber nur, weil externe Kosten  wie a) Ressourcenverbrauch (Metalle, Erdöl) und b) Umweltbelastung (wegen der Entsorgung der Altgeräte) sich nicht im Preis abbilden. Nachhaltigkeit Fehlanzeige!

Der lädierte Föhn, dessen Kabel an der Geräteseite seinen Mantel eingebüßt hatte, bot eine willkommene Herausforderung, selbst Hand anzulegen. Doch schon die erste Hürde war mit Aufwand verbunden: Wer verschließt sein Gerät mit Schrauben, die eine dreieckige Kontur aufweisen? Erst mit einem Spezial-Schrauber-Set aus dem Baumarkt waren diese zu lösen. Doch auch danach ließ sich das Gehäuse nicht öffnen – nur eines von vielen YouTube Videos gab mir letztlich ausreichend Zuversicht, es mit viel Kraft zu versuchen. Letztlich verlief die Reparatur erfolgreich, kostete mich aber über eine Stunde an Zeit. Dies war vor allem der Demontage und dem Wieder-Zusammenbau geschuldet.

Zweite Erkenntnis: Geräte werden nicht so konstruiert, dass sie sich leicht reparieren lassen. Anleitungen zum Auseinandernehmen finden sich oft bei YouTube, stammen aber nicht vom Hersteller und sind daher nur mit Vorsicht zu genießen.

Bei meinem Bluetooth-Lautsprecher SONY SRS-XB20 ist die Ladebuchse defekt. YouTube zeigt mir, wie ich das Ding auseinander nehme, aber woher soll ich das richtige Ersatzteil bekommen? Ich denke für mich: Von Problemfällen wie diesem gibt es in Deutschland sicherlich tausende, die böten doch genügend Masse für professionelle Reparateure! Aber wo findet man die? Vielleicht in Repair-Cafés? Dort helfen engagierte Fachleute oder machen sich gar selber ran, die Ursache der Defekte aufzuspüren und zu beseitigen. Also sollte ich doch dort einmal nachfragen!

An einem lauen Frühlingsabend mache ich mich auf den Weg und treffe in einem Ladenlokal auf etwa 50 Menschen, die an ca. 10 Tischen damit beschäftigt sind, gebrauchte Elektro-Geräte wieder in Schwung zu bringen: Nähmaschinen, Toaster, Radiowecker, Dokumentenvernichter, Laptops und andere Computer-Elektronik. Oft veraltetes Material, das viele Normalverdiener vermutlich eher entsorgen würden.

Dritte Erkenntnis: Repair-Cafés helfen Menschen, die sich eben nicht mal soeben ein neues Gerät kaufen können, wenn ihr altes den Geist aufgibt. Oder andersherum: Mit hochwertiger Elektronik würde man sicher eher einen professionellen Reparaturbetrieb aufsuchen, der für Schäden haftet und auch Garantie auf die Reparatur geben muss.

Ich spreche mit den Veranstaltern: Nein, hier sind zwar Fachleute am Werk, aber die arbeiten ehrenamtlich. Man muss als Hilfesuchender nicht bezahlen, aber Spenden sind erwünscht. Professionelle Hilfe gegen kleines Geld gäbe es z.B. in Polen, da sind die Stundensätze deutlich geringer und damit der Abstand der Reparaturkosten zur Neuanschaffung deutlich größer.

Vierte Erkenntnis: Je reicher eine Gesellschaft, umso teurer wird die Reparatur, umso weniger wird tatsächlich repariert, umso mehr Elektroschrott wird produziert.

Von den emsigen Helfern hat jede(r)  seine bzw. ihre Werkzeug- und Ersatzteilkiste dabei. Man sucht nach einer vielleicht passenden USB-Ladebuchse – leider ohne Erfolg. So werde ich mich wohl einmal bei Ebay nach dem Ersatzteil umsehen, wohlwissend, dass ich mindestens 5 Stück abnehmen muss und der größte Teil der Kosten aufs Porto geht.

Fünfte Erkenntnis: Repair-Cafés sind ein gelungenes Beispiel für nachbarschaftliche bzw. ehrenamtliche Hilfe, aber kein Weg, der aus der Elektroschrott-Problematik herausführt. Dazu sind sie natürlich auch nicht angetreten. Es bräuchte einfach mehr Regulierung des Marktes von Seiten der Europäischen Union. Eine Verpflichtung für die Bereitstellung von Ersatzteilen durch die Hersteller ist unterwegs, kann aber nicht mehr als ein allererster Schritt sein. Vor allem aber sind kritische Verbraucher gefragt, die Reparierbarkeit als wichtiges Leistungsmerkmal vom Hersteller erwarten! Nokia z.B. bewirbt neuerdings seine Handys mit der leichten Austauschbarkeit des Akkus durch den Besitzer. Anbieter wie Fairphone konnten sich bislang am Markt kaum halten.

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