Alles wird gut? – Klimapuzzle an der Schule

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  • Beitrag zuletzt geändert am:August 7, 2025

Das Klimapuzzle ist ein dreistündiger Workshop, bei dem die Teilnehmer miteinander ein Bild erarbeiten, das die Zusammenhänge des Klimawandels erklärt: Menschliche Tätigkeiten wie Autofahren, industrielle Produktion oder das Heizen von Gebäuden führen zu CO2-Emissionen, welche über den Treibhauseffekt eine Erderwärmung verursachen, die dann Probleme macht. Das wissenschaftlich seriöse Fundament einerseits und das lebendige Miteinander andererseits haben mich in der Kombination überzeugt. Also absolvierte ich ein Moderatorentraining und biete das Puzzle seitdem selber an. Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit, das Klimapuzzle an drei Tagen mit Schülerinnen und Schülern (=SuS) der Klassen 7, 8 und 10 zu moderieren.

Zunächst war ich erfreut über die Tatsache, endlich mit Jugendlichen über die Klimaproblematik ins Gespräch zu kommen und sei es nur in diesem formalen Rahmen. Seit langem sagt ja meine Erfahrung, dass Versuche, Erwachsenen die Dramatik der Entwicklung näher zu bringen, schlicht erfolglos bleiben. Darum hatte ich schon hier ausgeführt, dass wir unsere aufklärerische Arbeit auf Kinder konzentrieren sollten.
Doch dann stieg eine große Besorgnis in mir auf: Alle Wirkungs-Zusammenhänge im Klima-Puzzle zielen letztlich auf die Karten Bewaffnete Konflikte, Völkerwanderungen, Hungersnöte etc. Das sind trübe Aussichten! Wollen wir die Kinder wirklich mit dieser Botschaft nach Hause schicken? Müssen wir ihnen nicht irgendein Angebot zur Bewältigung machen, damit sie nicht in Verzweiflung verfallen?

Meine Besorgnis hat sich glücklicherweise verflüchtigt und dennoch ich bin betrübt darüber.

Die einwöchige Schulaktion am Kepler-Gymnasium Tübingen hatte zum Ziel, das Klima-Puzzle mit sämtlichen Schülern der Jahrgangsstufen 7 bis 11 zu absolvieren. Das war schon eine organisatorische Herausforderung, die letztlich aber sehr gut bewältigt wurde.

Da stehen sie nun: Gruppen von 4 bis 7 SuS sind jeweils einem der etwa 12 Tische zugeordnet. Ich erläutere meiner Gruppe das Vorgehen und gebe die Regie an die Schüler ab: Sie sollen sich selbst eine Vorstellung von den Zusammenhängen zwischen den von mir ausgeteilten wenigen Karten machen und diese entsprechend auslegen. Das gelingt meist perfekt. Es finden sich immer motivierte Schüler, welche voran gehen und die ihnen zugedachte Aufgabe – wie sonst in jedem anderen Pflicht-Unterricht – zu einem guten Ergebnis führen. In ähnlicher Weise schreiten wir fort, nur kurz unterbrochen von kleinen Pausen, in denen die SuS sofort ihre Aufmerksamkeit umsteuern. Bei manchen Mädchen lief auch während unserer Arbeit das Soziale thematisch mit: War es wirklich eine gute Idee, dass sich eine nicht anwesende Freundin von ihrem Freund getrennt hat? Alle waren online, vermutlich bei WhatsApp. Trotz allem gelang es meinen Gruppen, ein ordentliches Werk zustande zu bringen und ich habe keinen Zweifel daran, dass die beabsichtigte Botschaft bei den SuS angekommen ist.

Insgesamt kann ich berichten: Die Stimmung war durchweg gelöst, die Motivation meist gut. Die meisten Teilnehmer verfügten schon vorab über ein grundsätzliches Problemverständnis und viele Detailkenntnisse. Doch bei niemandem habe ich irgendwelche Betroffenheit, Verunsicherung oder gar Hilflosigkeit gespürt. Ich habe keinerlei Emotionen wahrgenommen! Die SuS haben wohl schon „ihren Frieden“ mit der drohenden Katastrophe gemacht. Sie wissen, dass da etwas Unangenehmes auf sie zukommt, das sie aber nicht aufhalten können. Sie fügen sich in ihr Schicksal, genau wie Generationen vor uns Pest und Krieg als schicksalhafte Plagen hinnehmen mussten.

Meine persönlichen Reaktionen auf die Klimakrise waren in der Vergangenheit eher von Bestürzung über das Ausmaß und Trauer über den Verlust der wunderbaren Vielfalt und des Reichtums der Natur gekennzeichnet: Da haben wir Menschen – also auch ich – großen Schaden angerichtet, den es nun zu begrenzen und möglicherweise wieder gut zu machen gilt. Das ist unsere Pflicht den Menschen gegenüber, die in Zukunft auf diesem Planeten gut leben wollen. Jeder und jede ist darum aufgefordert, seinen oder ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten. So meine Denke.

Doch es wurde mir klar, dass man mit einer verordneten Schulaktion wegen der kurzen Zeit und der eng begrenzten Aufmerksamkeitsspanne der SuS kaum in Beziehung kommt in dem Sinne, dass man sich über die eigene Betroffenheit austauschen könnte.

Ich sehe die Schule in einem Spannungsfeld: Einerseits soll sie die SuS auf das – oft gar nicht so problemlose  – Leben vorbereiten, andererseits soll Schule aus nachvollziehbaren pädagogischen Gründen auch ein angstfreier Raum sein, in dem sich SuS sicher, ja geradezu wohl fühlen. Folglich sendet Schule in unserem Fall paradoxe Botschaften: Liebe Kinder, es droht eine Klimakatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, aber seid locker und entspannt, kein Stress, alles wird gut!

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