ChatGPT

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  • Beitrag zuletzt geändert am:Dezember 28, 2022

“Auch wenn schon alles gesagt ist, so doch noch nicht von allen!” Muss ich diesen Satz von Karl Valentin bemühen, um meine Kommentare zu ChatGPT zu rechtfertigen? Sicherlich werde ich wiederholen, was andere (vermutlich) auch schon beigetragen haben, möchte aber dennoch meine Assoziationen in Umlauf bringen, um die Phantasie der geneigten Leserschaft zu beflügeln.

Zur ersten Orientierung: ChatGPT ist ein Programm im Internet, das auf schriftlich formulierte Fragen bzw. Anregungen hin mit ausführlichen Texten antwortet. Dabei kann sich der Benutzer auf vorhergehende Ein- und Ausgaben beziehen, also einen echten Dialog führen.

Als ChatGPT Ende Dezember 2022 auf meinem Radar erschien, dachte ich: Das gibt’s doch nicht! Niemals kann ein einzelnes Computerprogramm auf Fragen aus solch einem breiten Spektrum an Themen sinnvoll antworten! Auch wenn nicht alles korrekt ist. Allein, dass überhaupt eine sachbezogene, wohlformulierte und oft auch hilfreiche Antwort kommt, hat mich schwer beeindruckt. Damit war nicht alleine, wie allein die Flut – auch deutscher – Videos in YouTube zu diesem System zeigt. Man schaue zum Beispiel:

  1. Professor gegen KI! Kann ChatGPT meine Klausur lösen?
  2. Wie funktioniert die KI ChatGPT? ChatGPT einfach erklärt!
  3. Wie INTELLIGENT ist ChatGPT wirklich? KI vs. IQ Test!
  4. ChatGPT ist einfach zu krass! Das kann der KI-basierte Chatbot von OpenAI
  5. Warum ChatGPT die Welt verändern wird
  6. ChatGPT: Künstliche Intelligenz für die Massen
  7. ChatGPT ändert einfach ALLES & darum solltest du dich damit befassen!
  8. OpenAI’s ChatGPT is a MASSIVE step forward in Generative AI
  9. ChatGPT: This AI has a JAILBREAK?! (Unbelievable AI Progress)
  10. Reinforcement Learning from Human Feedback: From Zero to chatGPT

Noch kann man sich kostenlos ein Bild machen und einloggen bei chat.openai.com

Vermutlich kann ChatGPT also folgende Texte auf Kommando (hier “Prompt” genannt) produzieren:

  • Bewerbungen, Rezensionen, Entschuldigungen und Erlebnisberichte.
  • Sonntagsreden
  • Juristische, psychologische, oder irgendwelche technische Gutachten
  • Studentische Haus- oder Diplomarbeiten; zumindest in Teilen, die man dann verbinden muss.
  • Artikel mit Allgemeinwissen für intellektuell niederschwellige Printmedien
  • Politische Werbeschreiben, in Inhalt und Wortwahl zugeschnitten auf jeden einzelnen von Millionen von Wählern, aber unterschrieben von realen Abgeordneten.
  • Eine Predigt (1000 Wörter) auf Matthäus 13, Vers 24 unter Bezug auf die Medienwelt mit ihren seriösen Quellen und Fake News. (Man probiere es selbst! Auch wenn das Ergebnis natürlich nicht überzeugen kann, gelingt zumindest ein Bezug.)
  • Die handwerkliche Anleitung für das Wechseln der Bremsbeläge am Auto
  • Den Quellcode in jeder Programmiersprache für eine mit Worten beschreibbare Aufgabe.
  • Eine Erläuterung über die Funktion eines präsentierten Computerprogramms

Wenn das nicht beeindruckt! Deiner Phantasie an Aufgaben für ChatGPT sind keine Grenzen gesetzt!

In meiner ersten Aufregung  sah ich folgende Konsequenzen, die jeder einmal selbst auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen möge:

  1. Es werden Blogs aus dem Boden sprießen, in denen vermeintliche Autoren ihr vermeintlich umfassendes Weltwissen präsentieren. Sie müssen nur den von ChatGPT gelieferten Texten ihre persönliche Note geben, um ihre Autorenschaft glaubwürdig zu machen. Doch sollten wir den Inhalten trauen?
  2. Wäre es ein Plagiat, einen Text von ChatGPT unverändert als Eigenproduktion auszugeben? Wohl kaum, denn die Autorenschaft ist ja nicht nachweisbar! Das macht die Beurteilung jeglicher angeblicher Eigenleistung in der Ausbildung (z.B. Hausarbeiten) sicher nicht leichter, möglicherweise gar unmöglich.
  3. ChatGPT wird seine Wirkmacht noch weiter entfalten können, wenn es mit Spracherkennung und Sprachausgabe gekoppelt ist. Denn dann wird es sich zum alltäglichen und vielleicht auch alltagstauglichen Gesprächspartner entwickeln, der auch so manche Einsamkeit verhindern hilft. Ein Gegenüber, das niemals widerspricht und immer freundlich bleibt. Sicherlich werden viele dies mögen.
  4. Wenn eine Maschine damit durchkommt, anderswo Aufgeschnapptes ohne Prüfung und eigenen Beitrag als wertvolles Produkt zu verkaufen, was sagt uns dies an unsere eigene Adresse? Und: Beherrschen nicht auch manche Menschen genau dieses Geschäft?
  5. ChatGPT wird mit Daten trainiert, nicht programmiert.  Das Ergebnis ist, wie bei allen lernenden neuronalen Netzen, eine Fülle von Zahlen (sog. Synapsengewichte). Keiner dieser Zahlen lässt sich aber eine konkrete Bedeutung in Bezug auf die Funktion des gesamten Netzwerkes zuschreiben. Die Konstrukteure wissen also selbst nicht, warum ChatGPT diese oder jene Antworten gibt. Sollte ChatGPT auf manche Fragen unangenehme Zeilen ausspucken, so wären die Konstrukteure  unfähig, dies zu verhindern. Mit anderen Worten: Die von ChatGPT produzierten Texte wären als authentisch einzustufen. Was würde das bedeuten?
  6. ChatGPT extrahiert sein “Wissen” aus einer Unzahl von Menschen geschriebener Texte. Möglicherweise  wird man darum Antworten von ChatGPT eine hohe Wertigkeit zuschreiben, denn sie geben ja vielleicht in vielen Fällen die Essenz menschlichen Wissens wieder, ohne dass ein einzelner Mensch darauf Einfluss nehmen könnte. ChatGPT würde zum Kronzeugen des Menschheits-Wissens aufsteigen.
  7. Trainingsende und somit “Redaktionsschluss” war Ende 2021. Damit hatte ChatGPT noch keine Gelegenheit, auch eigene Werke in den Erfahrungsschatz zu übernehmen. Weil ChatGPT aber in Zukunft weiter trainiert wird, werden wir womöglich eine starke Rückkopplung erleben – mit ungewissem Ausgang: Wenn einmal zu einem heiklen Thema grober Unfug verbreitet wird und ChatGPT diesen für eigene Produkte aufgreift, dann könnte sich dieser Unsinn auf alle Ewigkeit im Netz halten, weil es ja immer wieder von ChatGPT in möglicherweise großem Stil Umlauf gebracht wird – weil menschliche Akteure dies so wollen. Wie könnte sich ChatGPT davor wappnen, eigene Produkte als Quelle neuer Aussagen zu verwenden? Vermutlich gar nicht!
  8. Möglicherweise sind aber viele von uns heute schon sehr sensibel gegen manipulative Texte. Da macht es keinen Unterschied, ob er von Menschen oder Maschinen stammt. Doch woher wissen wir, wann ein Text von einer Maschine stammt?
  9. Sollten wir eine Kennzeichnungspflicht etablieren für alle medialen Inhalte, sobald sie von Maschinen erzeugt wurden?  Bei jedem Anruf im Call-Center sollte dann erklärt werden, ob man mit einem Menschen spricht oder einer Maschine.
  10. Beim Rendezvous müssen wir darauf achten, dass das Gegenüber keinen Knopf im Ohr hat. Denn wenn ChatGPT erst einmal mit Spracherkennung und Sprachausgabe erweitert wird, dann wird es wohl auch in der Lage sein, in jeder Situation anregende Dialoge zu stimulieren, die der Nutzer dann nur noch dem “kleinen Mann im Ohr” nachsprechen muss.
  11. Vielleicht wird eine erfreuliche Gegenbewegung ausgelöst, dass Menschen sich verstärkt face-to-face begegnen und sich nur noch im unvermittelten Dialog austauschen wollen.
  12. Doch dies funktioniert nur solange, wie die Technik noch keine gefühlsechten Menschenattrappen hervorbringt, wie in dem sehenswerten Film “Ich bin dein Mensch” zu besichtigen.

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