Hambi bleibt…

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  • Beitrag zuletzt geändert am:Februar 3, 2023

…mir fest in Erinnerung: Vor über 4 Jahren, am 6.10.2018, unternahmen meine Frau und ich einen schönen Wochenendausflug zum Tagebau Hambach, westlich von Köln gelegen. Um 6:15 Uhr ging’s los vom Tübinger Busbahnhof mit dem extra gecharterten Reisebus, sehr bequem! Sehr unbequem dagegen hatten Umweltaktivist*innen in den zurückliegenden Wintern im Hambacher Forst ausgeharrt: In Baumhütten trotzten sie wiederholt den Versuchen der Polizei, den Wald zu räumen. Diese Beharrlichkeit junger Menschen hat mir imponiert und nach dem Frust der letzten Jahre bot sich mir die Gelegenheit, wenigstens einen minimalen Beitrag zur Unterstützung der Bewegung zu leisten: “Hambi bleibt!” lautete die Parole. Besagter Frust entstand, als in den Folgejahren des Klima- Abkommens von Paris in 2015 jährlich im Radio vermeldet wurde: Deutschland wird auch in diesem Jahr seine selbst gesteckten Klimaziele nicht einhalten! Begründungen wurden nicht geliefert – und es schien auch niemanden zu stören, außer den Klimakämpfern im Hambacher Forst. Überhaupt bleibt in mir die Einschätzung, dass die damalige Bundesregierung Merkel Volkes Stimme recht gut vertreten hat: Klimaschutz? Ja bitte! Aber nicht unbedingt jetzt und hier und bei mir und, und, und. Kurz vor der drohenden Vernichtung des restlichen Waldes hatten wir also die Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen: Schluss mit der Braunkohleverbrennung zur Strom-Erzeugung! Schluss mit dem Raubbau an der Natur! Mit uns waren an die 50.000 Umweltbewegte gekommen, um an diesem schönen Herbsttag friedlich ihren Unmut zu äußern.

Auf der Autobahn ging es vorbei an Worms, wo uns symbolträchtig Windräder winkten, bis wir schließlich am Horizont die unverwechselbaren Zeichen der Kohleverstromung erblickten. Zum Glück hatten wir einen Umweg anregen können, der uns am Aussichtspunkt “Terra Nova 1” einen Eindruck von den kolossalen Dimensionen dieses Tagebaus bot: Hier wird mit den größten Geräten, die Menschen je erfunden haben, innerhalb weniger Generationen ein Naturschatz geplündert,  dessen Aufbau Millionen von Jahren Erdgeschichte benötigte. Und nicht nur das: Die bei der Verbrennung frei werdenden Abgase sind nicht nur wegen des enthaltenen Quecksilbers direkt für Menschen schädlich, sondern tragen wegen der Unmengen an emittiertem CO2 nicht unerheblich bei zur Klimakrise.

Nie habe ich in ein so tief und breit von Menschen gegrabenes Loch geblickt! Es verschlägt einem die Sprache. Da darüber können auch die Sprüche auf den aufgestellten Infotafeln nicht hinwegtäuschen: “BoA 2&3: Ein echter Beitrag zu Klimaschutz und Energiewende” heißt es da etwa. Ein Hohn!

Die Veranstaltung lief friedlich ab, auch weil – anders als jüngst in Lützerath – keine polizeiliche Räumung im Gange war. So begegnete man bei schönstem Sonnenschein und Musik-Festival-ähnlichen Verhältnissen einer bunten Vielfalt von meist jungen Menschen, die oft schon tagelang auf dem Gelände campierten.

Schon auf dem Heimweg war klar, dass diese 50 Euro für die Ausfahrt gut angelegt waren. Und es stellte sich mir angesichts der medialen Reaktion die Frage: Welcher Schub für die Klima-Debatte wäre ausgelöst worden, hätten nicht 50.000 sondern 500.000 Menschen den Weg zum Hambacher Forst gefunden?! Dabei lag die Schwelle so niedrig: Wochenend‘ und Sonnenschein, kein Risiko, moderate Unkosten, nette Leute, gutes Werk. Ja, oft stehen wir uns mit unserer Bequemlichkeit selber im Weg! Vermutlich ist Bequemlichkeit überhaupt der größte Klimakiller.

Die Demonstration war am Abend als Aufmacher der 20 Uhr Tagesschau zu besichtigen. Zusammen mit Anne Wills Polit-Talk am folgenden Sonntag mit dem Titel “Wald oder Kohle? Streit um den Hambacher Forst” nahm das Thema in der breiteren Öffentlichkeit nun endlich Fahrt auf, die weiter mit der Fridays for Future Bewegung um Greta Thunberg endlich in 2021 zu einer Bundesregierung führte, die den Klimaschutz ernst nimmt und die Energiewende voran treibt.

Diejenigen, die jetzt jammern: “Die grünen Minister kriegen es auch nicht auf die Reihe, die Energiewende geht viel zu langsam voran” möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass die Grünen bei der Bundestagswahl 2021 lediglich 14.8% der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Berücksichtigt man eine Wahlbeteiligung von 76,6 %, dann heißt dies, dass sich nur etwa jede*r neunte wahlberechtigte Bürger*in an der Wahlurne klar für den Vorrang des Klimaschutzes ausgesprochen hat. Wenn also die Klimaaktivisten ein Ziel im Auge haben sollten, dann ist es doch die massive Steigerung der grünen Parlamentssitze bei der Bundestagswahl 2025! Und die wird (vermutlich) nur kommen mit einer erfolgreichen Bilanz der Ampelkoalition.

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