Die Sendung Markus Lanz vom 28. Mai 2025 behandelte das Thema Meinungsfreiheit in Deutschland. Ich möchte hier auf wichtige Aspekte hinweisen, die meines Erachtens in der Talk-Show zu kurz gekommen sind.
Zu Beginn wurde ein markantes Umfrage-Ergebnis präsentiert: Auf die Frage „Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser vorsichtig zu sein?“ äußerten über die Jahre immer weniger Menschen, dass sie frei reden könnten. Der Anteil derer, die glaubten, besser vorsichtig sein zu sollen, stieg hingegen zwischen 1990 und 2020 beinahe auf das Dreifache – von 15% auf 45%. Was geht da vor?

Hat man in letzter Zeit das Tagesgeschehen verfolgt, könnte man zur Schlussfolgerung kommen, dass der US-amerikanische Vize-Präsident J.D. Vance vielleicht doch Recht hatte. Auf seiner Rede zur Münchner Sicherheitskonferenz äußerte er nämlich – unter anderen befremdlichen Feststellungen – seine Befürchtung, dass die Redefreiheit in Europa auf dem Rückzug begriffen sei, Zitat: „In Britain and across Europe, free speech, I fear, is in retreat.“
Nun muss man als erstes klarstellen, dass die Redefreiheit in Deutschland zwar grundsätzlich garantiert ist, aber Ausnahmen existieren, wenn es um Verleumdungen, üble Nachrede, oder auch um die Leugnung des Holocaust geht. Genauso sind Betreiber von Sozialen Medien verpflichtet, gegen Hassrede vorzugehen.
Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs liegt in der begrifflichen Trennung von Redefreiheit und Meinungsfreiheit. Angesichts unserer geschichtlichen Erfahrung mit dem Nationalsozialismus und angesichts der Verstärkungseffekte in den sozialen Medien sind wir als Gesellschaft gut beraten, die Redefreiheit zu begrenzen: Es soll nicht alles gesagt werden dürfen – aber es muss garantiert werden, dass jedermann und jede Frau jede sachlich begründete Meinung von sich geben kann, ohne von Staats wegen dafür belangt werden zu können! Ähnliches trifft auch für andere Formen der Publikation zu, wie z.B. manipulierte oder arrangierte Bilder wie die folgenden:

Ist das noch „Meinung“ – oder nicht einfach nur Herabwürdigung und Falschbehauptung? Sollten wir diese Darstellungen unter den Schutz der freien Meinungsäußerungen stellen? Ich meine: nein! Als Argument würde ich nicht meinen Geschmack oder mein moralisches Urteil (Gesinnungsethik) anführen, sondern nach der möglichen Wirkung fragen (Verantwortungsethik): „Sind diese Darstellungen geeignet, unser demokratisches Miteinander zu beschädigen?“ Für den politisch informierten Zeitgenossen wird man diese Frage im vorliegenden Falle getrost verneinen können. Aber wir müssen bedenken, dass auch die politisch Uninteressierten bei Wahlen eine ganze Wählerstimme besitzen! Weiterhin müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Mitbürgern sich beeinflussen lässt von Alternativmedien bzw. Websites, die ganz offen Misstrauen säen gegen demokratische legitimierte Institutionen, siehe meinen Blog-Post und dort insbesondere die Bildschirmkopie der Website apolut.net.
Für Fälle wie oben (Habeck/Faeser) schlage ich also vor, dass sich jegliche Verunglimpfung oder bewusst falsche Unterstellung bei Personen in einem demokratisch legitimierten Amt verbietet. Dass die Veröffentlichung solcher Bilder also unter Strafe gestellt wird. Dabei geht es dann nicht in erster Linie um die Würde der abgebildeten Personen, sondern um die Bedeutung ihrer Funktion für unser Gemeinwesen. Wer Funktionsträger in dieser Manier angreift, greift uns alle an! Was nicht heißt, dass man diese – im vorliegenden Fall Minister – nicht beliebig inhaltlich kritisieren dürfte. Das muss natürlich jederzeit gewährleistet werden!
Es bleibt noch ein anderer Aspekt, der Beachtung verdient: Wenn jemand besorgt ist, wegen einer Äußerung Nachteile zu erleiden, dann muss doch geklärt werden, woher eine mögliche Sanktion erfolgen könnte! Staatliche, also juristische Konsequenzen haben wir schon erwähnt. Oft gehen Sanktionen aber von gesellschaftlichen Gruppen aus. Wird jemand als Antisemit, Rassist oder Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt, drohen dem Betroffenen Konsequenzen vom Reputationsverlust über Ausgrenzung bis hin zum Parteiausschluss. Dabei ist allerdings entscheidend, dass die Brandmarkung beim Publikum auch verfängt, sie also nicht als plumper Angriff demaskiert wird. Die Sanktionen sind somit auch Folge des öffentlichen Klimas: Je aufgeregter und polarisierter sich dieses darstellt, umso schärfer die Verurteilungen. Für das öffentliche Klima wiederum sind WIR verantwortlich und damit auch für solch hässliche Phänomene wie die Cancel-Culture. Es ist also an UNS, die Polarisierung in unserer demokratisch verfassten Gesellschaft aktiv zu bekämpfen; nicht übereinander, sondern miteinander zu reden! Sonst erledigen wir das Geschäft derer, die unsere Ordnung zerstören wollen. Und davon gibt es leider zunehmend mehr.
Um auf die eingangs gezeigte Grafik zurück zu kommen: Ich denke, wenn Menschen heutzutage sagen, man solle eher vorsichtig sein, bevor man seine (abweichende) Meinung äußert, dann nicht, weil ihnen staatliche Sanktionen drohen. Sondern weil sie fürchten, von anderen abgestempelt und damit abgewertet zu werden. Beispiel: Wenn jemand sagt, dass ihm so viele Gesichter fremder Herkunft in seiner Stadt Angst machen, gerät er in Gefahr, als ausländerfeindlich, Rassist oder gar Nazi tituliert zu werden. Weil er nun weiterhin befürchtet, dass diese Zuschreibungen von anderen akzeptiert werden, will er das natürlich vermeiden. Daraus resultiert dann, dass er vorzieht, den Mund zu halten. Und genau das halte ich für eine gefährliche Entwicklung! Sie beschert nämlich den extremen Parteien den Zulauf, den wir beklagen.
P.S. Wenn die geneigte Leserin denkt, ich sei frauenfeindlich, weil ich in diesem Artikel auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichte, dann stimmt das sicher nicht. Besonders beim letzten Absatz haben meine sprachlichen Mittel einfach nicht ausgereicht, die Botschaft geschlechtsneutral zu formulieren, ohne dass die Lesbarkeit arg gelitten hätte. Da würde es auch nicht helfen, das Geschlecht zu wechseln und manchmal „sie“ statt „er“ zu sagen. Das verwirrt nur.
P.P.S Die Redefreiheit in den USA ist anders gefasst als in Europa! Dieses zu berücksichtigen und dabei noch die Interessen der US-amerikanischen Tech-Konzerne einzubeziehen, hätte den Rahmen hier gesprengt!
Ich folge im Prinzip ganz Deiner Argumentation, allerdings bin ich nicht dafür, dass Politikerbilder wie die in Deinem Post „unter Strafe gestellt“ werden sollten. Wäre das schon Praxis, müsste man ganze Jahrgänge der Satirezeitschrift „Titanic“ verbieten bzw. einstampfen. Und die Einschränkung von Satire sollte doch nicht vorrangiges gesellschaftliches Ziel werden.
Natürlich sollte die Einschränkung von Satire nicht „vorrangiges gesellschaftliches Ziel “ sein. Aber ich bin überzeugt davon, dass (zu) viele Bürger (zu) oft keine klare Grenze ziehen können zwischen seriöser Berichterstattung, Satire, Fake und Hetze. Soll heißen, sie können die Bilder nicht deuten, die ihnen präsentiert werden, sollen bzw. wollen sich aber eine politische Meinung bilden!
Hinzu kommt, dass sich Hetze gerne als Satire oder seriöse Kritik ausgibt oder Satiresendungen gerne echte Politiker im Amt befragen bzw. „vorführen“, also den Anschein von seröser Berichterstattung erwecken.
Für den politisch Interessierten bzw. Gebildeten mag das alles kein Thema sein, der Rest aber ist verwirrt. Er verliert die Orientierung und verabschiedet sich von der Demokratie angesichts des Durcheinanders, so wie es sich ihm darstellt.
Hier schlägt das Thomas-Theorem zu: „Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind diese in ihren Konsequenzen wirklich“. Soll heißen: Sie handeln aufgrund ihrer Wahrnehmungen, nicht aufgrund dessen, was wir als Realität bezeichnen würden.
Wie Theodor Fontane den Vater von Effi Briest immer wieder sagen lässt: „Das ist ein weites Feld.“ Ich füge hinzu: für deine Kommentarfelder ein zu weites Feld. Hier nur ein paar Gedanken dazu. Deine Argumentation würde bedeuten: Wegen des zunehmenden Populismus, der von ebenso zunehmender politischer Ahnungslosigkeit und Geschichtsvergessenheit profitiert, müssen wir „das Volk“ = die User/Medienkonsumenten vor verunsichernder und verwirrender Ironie und Satire schützen, auf dass sie dann mehr von der Realität wahrnehmen. Dass dadurch die Kunst- und Satirefreiheit in einem Maße beschnitten würde, wie es das in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1950er Jahren nicht gegeben hat, muss man, müssen die Satiriker und Comedians halt in Kauf nehmen, zum Wohl unserer Gesellschaft. – Entschuldige, aber das ist für mich eine besondere Spielart von „wokeness“, die ich in unserem Land nicht erleben möchte. Ich glaube nicht daran, dass unsere Demokratie an zu viel frecher Respektlosigkeit gegenüber Politikern scheitern wird. Die Grenze zu Herabwürdigung und Hassverbreitung in den sogenannten Sozialen Netzwerken ist, finde ich, immer sehr gut erkennbar und wird von den meisten Gerichten auch richtig gezogen.
Der entscheidende Punkt liegt darin, dass die Grenze für DICH und die Gerichte gut erkennbar ist, aber das ist leider NICHT RELEVANT, so meine These. Was zählt, ist die Wirkung auf die vielen Anderen.
Was das alles mit „wokeness“ zu tun hat, verstehe ich nicht.