Erdbeben und Klimakrise

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  • Beitrag zuletzt geändert am:Februar 18, 2023

Diese Woche im Fernsehen: Schweres Erdbeben in Syrien und der Türkei! Man sieht Wohnviertel in Trümmern, verzweifelte Menschen, die innerhalb von Sekunden ihre Familie und ihr Zuhause verloren haben. Was man nicht sieht, sind die verzweifelten Verschütteten, die verletzt in den Schuttbergen darauf harren, vielleicht doch noch gerettet zu werden. Ohne Nahrung und Wasser harren sie von Schmerzen geplagt in der Kälte aus, viele von ihnen vergeblich. Eine schreckliche Katastrophe!

Die einzigen Menschen, die diese Bilder und Vorstellungen ausblenden, sind die Kriegsherren Tausend Kilometer nördlich, jenseits des Schwarzen Meeres. Es ist ihr verderbliches Geschäft, friedlichen Menschen solche Gewalt mutwillig anzutun. Mich hat die Ähnlichkeit der Bilder aus dem Erdbebengebiet und denen aus ukrainischen Städten erschüttert. Fotos aus dem zerbombten Aleppo und Idlib haben wir beinahe schon vergessen. Meine Verachtung für die Krieger hat sich so noch einmal verstärkt.

Doch noch ein anderer Gedanke kam mir in den Sinn: Die Schlagzeile zur Erdbebenkatastrophe hätte auch lauten können: “Schon wieder vierzigtausend Tote und Millionen Obdachlose wegen sträflicher Ignoranz gegenüber bedrohlichen Naturgewalten!”

Dass in der Türkei Erdbeben vermehrt  auftreten, ist eine bekannte Tatsache, die durch die Plattentektonik gut erklärt wird; auch die historischen Aufzeichnungen sprechen eine deutliche Sprache. Mit anderen Worten: Dieses Erdbeben war voraussehbar! Vielleicht nicht in Bezug auf den genauen Ort und Zeitpunkt, aber grundsätzlich. Das Fernsehen zeigte ein Interview mit einem türkischen Geologen, der erzählte, ein Kollege hätte vor Jahren den Bürgermeister seiner Großstadt mit einer Studie gewarnt: Im Falle des zu erwartenden Erdbebens sei das Leben tausender Bürger in Gefahr, zig-Tausende könnten über Nacht obdachlos werden. Von weiteren menschlichen und wirtschaftlichen Schäden einmal ganz abgesehen. Doch der Bürgermeister nahm diese Erkenntnisse nicht ernst. So verpuffte die Warnung im Nichts.

Jetzt wurde die Bevölkerung grausam bestraft für die Unterlassungen der Verantwortlichen. Aber waren letztlich nicht alle irgendwie mitverantwortlich? Jeder, der ein Haus baute, kaufte oder bezog, musste sich ja fragen: Was passiert bei einem Erdbeben? Wenn also genügend Bewusstsein in der Bevölkerung vorhanden gewesen wäre, dann wäre sicherlich mehr in Sicherheit investiert worden: In Japan, zum Beispiel, wäre der Blutzoll bei einem vergleichbaren Beben deutlich geringer ausgefallen, weil man vorausschauend in die richtigen Vorkehrungen, sprich Architektur der Gebäude, investiert hat. Aber es ist eben billiger, darauf zu verzichten.

Man kann also in diesem Fall von kollektivem Versagen einer Gesellschaft sprechen. An mangelnder Information hat es nicht gelegen. Sollte man individuelle Schwäche als Risikofreudigkeit, Fahrlässigkeit oder Verantwortungslosigkeit bezeichnen? Mag sein, dass er eine oder andere Bauunternehmer absichtlich getäuscht hat oder Aufsichtsbeamte bestochen wurden.  Bei mehr Aufmerksamkeit der Bewohner hätte dies auffallen müssen!

Jetzt sind die Parallelen deutlich: Die Natur nimmt keinerlei Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse: Keine Vorwarnung, nicht einmal eine Verlegung des Bebens in den Sommer könnte man ihr abringen. Auch die Klimakatastrophe kommt mit Ansage der Wissenschaft. Auch hier werden Studien kleingeredet, seit Jahrzehnten. Auch hier mangelt es also nicht an Information. Auch hier gibt es einflussreiche Akteure, die an großen Hebeln sitzen. Darum sind bei gleicher Ignoranz deren negativen Folgen ungleichmäßig verteilt. Auch hier könnte die aufgeklärte Bevölkerung oder besser: Bürgerschaft mehr Druck ausüben. Leider haben nur wenige Wähler dies erkannt. Und darum sollten wir alle die engagierten Mitglieder der aktuellen Regierung  unterstützen und die Blockierer anmahnen!

Die türkischen Bauunternehmer konnten wenigstens ihr eigenes Haus erdbebensicher errichten. Für die mächtigen Klimasünder wird es schon schwieriger, ihre Haut und die ihrer Nachkommen schadlos zu halten.

Die kollektive Reife einer Gesellschaft zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie vorausschauend und nachhaltig handelt. Leider sind wir davon noch weit entfernt. Und ist die Krise erst einmal da, streiten sich Schadensbekämpfung und Vorsorge um Aufmerksamkeit und Ressourcen, sicher nicht zugunsten des Letzteren.

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