Energiewende in Deutschland
Angeregt durch die Initiative ENERGIE für Neckar-Alb habe ich hier einige fachlich und didaktisch hochwertige Videos verlinkt, damit sich alle ein Bild davon machen können, wie es aktuell um die Energiewende in Deutschland steht und wie sie in Zukunft aussehen kann bzw. sollte. Weil im Wahlkampf 2025 die politisch rechten Parteien wieder mit der Atomenergie liebäugeln, kann man weiter unten auf dieser Seite meine Bedenken dagegen nachlesen. Klar positioniert hat sich Friedrich Merz am 7. November 2024 in diesem Video ab Minute 59:44. Vollständigkeitshalber sei festgestellt, dass weder im Klimaschutzplan von 2016, dem Klimaschutzgesetz von 2019, noch dem Klimaschutzprogramm von 2023 die Atom- bzw. Kernenergie überhaupt Erwähnung findet. Ganz im Gegenteil: Die Suche nach dem Stichwort „erneuerbar“ im 91-seitigen Klimaschutzplan liefert 127 Treffer! Schließlich fördert das Erneuerbare-Energien-Gesetz gezielt den Ausbau besagter Technologie.
Und weil immer noch und immer wieder die Technologieoffenheit beschworen wird: Mein Blog Post räumt mit dem Missbrauch auf!
Prof. Dr. Hans Schäfers
Hans Schäfers ist Professor für intelligente Energiesysteme und Energieeffizienz an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Leiter des CC4E.
In den vier Videos seiner Serie „Die nachhaltige Energieversorgung von morgen“ erläutert Prof. Schäfers, wie Deutschland bis 2045 klimaneutral werden will. (natürlich ohne Atomkraft!):
Prof. Volker Quaschning
Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Auf seinem eigenen YouTube-Kanal findet sich viel Sehens- und Hörenswertes!
In seinem Video Eine Atombombe für Deutschland? stellt er eine provokante Frage basierend auf wichtigen Informationen zur Nutzung von Kernkraftwerden. Auch wenn der Titel nach Clickbaiting riecht: Unbedingt anschauen!
Dr. Ing. Patrick Sauter
Patrick Sauter präsentiert auf seinem YouTube-Kanal Ingenieurskunst seriöse Statistiken (also Fakten) rund um das Thema Energieversorgung, z.B.
- Überraschung ganz vorne! Energiewende Ranking 2025
- SO lief die Energiewende 2023 in Deutschland!
- 100 % Erneuerbare Energien – ist das in Deutschland überhaupt möglich? (Basiert auf den „Big 5“ Studien zur Klimaneutralität in Deutschland)
Man beachte seine ordentliche Verlinkung auf die Quellen in den Zusatzinformationen jedes der Videos!
Prof. Dr.-Ing. Olaf Goebel
von der Hochschule Hamm-Lippstadt geht in seinem Video Die Energiewende zu Ende gedacht deutlich tiefer in die Materie. Dafür muss man dann 1,5 Stunden Zeit investieren!
Ein gut fundierter Nachschlag: Deutschland nach der Wahl – Welche Weichenstellungen die Energiewirtschaft jetzt braucht
Meine Argumente gegen die Atomkraft
Dass ich mich selbst offiziell Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik nennen darf, lasse ich normalerweise unerwähnt. Aber manchmal mag es doch nützlich sein, um denjenigen, die mich nicht kennen, wenigstens einen Anhaltspunkt für meine Urteilskraft zu geben. Mehr Kompetenz in dieser Frage darf man sicherlich Harald Lesch zuschreiben, der mit seinem Video Alles Kernkraft, alles bingo? klar Stellung bezieht.
Bevor ich auf die Nachteile der Atomkraft (Kernspaltung) eingehe, sollen zunächst deren Vorteile aufgelistet werden, insbesondere gegenüber erneuerbaren Energien.
- Atom- bzw. Kernkraftwerke (AKW, KKW) sind sehr leistungsfähig: Es braucht hunderte von Windrädern, um ein einziges AKW zu ersetzen!
- AKWs liefern eine zuverlässige Dauerleistung, also 24 Stunden pro Tag und 365 Tage pro Jahr. Man sagt, sie sind – anders als Wind- und Solarkraftwerke – grundlastfähig. Meteorologische Phänomene wie die Dunkelflaute spielen für sie keine Rolle.
- AKWs können in der Nähe von Großstädten oder Industriezentren platziert werden. Damit entfallen lange Stromtrassen quer durch die Republik, die ja notwendig sind, um Wind-Strom aus dem Norden in den Süden der Republik zu transportieren.
Neben der Kernspaltung spielt auch die Kernfusion eine Rolle im aktuellen Wahlkampf 2025 – und das angesichts der Tatsache, dass trotz milliardenschwerer Investitionen bislang nicht mehr als die prinzipielle Machbarkeit demonstriert werden konnte! Bis zu einem wirtschaftlich operierenden Kraftwerk ist es also noch ein weiter Weg. (ChatGPT schätzt den bisherigen Entwicklungsaufwand auf mehrere hundert Milliarden US-Dollar.)
Gegen eine Wiedereinführung der Kernkraft in die deutsche Energiewirtschaft möchte ich folgende Argumente anführen:
- Die Brennstäbe der Kernreaktoren sind hoch radioaktiv und daher sehr gesundheitsschädlich. Bei Herstellung, Transport, Nutzung und Lagerung darf nichts davon in die Umwelt kommen. Und das für Jahrtausende! Ansonsten droht die Unbewohnbarkeit betroffener Gebiete. Die Folgen der Unglücke von Tschernobyl und Fukushima sprechen für sich. Dagegen sind alle Anlagen für Erneuerbare vollkommen harmlos.
- Darum sind Atomkraftwerke potentielle Brennpunkte für katastrophale Unfälle und terroristische Angriffe. Sie müssen mit viel Aufwand ständig bewacht und beschützt werden.
- Deutschland hat 2011 den Ausstieg aus der Atomkraft (Kernspaltung) beschlossen. Daher sind aktuell alle Weichen in Forschung und Industrie in Richtung Erneuerbare gestellt.
- Die Planung neuer Reaktoren würde auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung stoßen.
- Nach dem aktuellen Stand sind Kernkraft-Technologien viel teurer als die Erneuerbaren und damit unattraktiv.
- Um die stillgelegten Reaktoren zu reaktivieren, müssten vielerlei Hürden überwunden werden:
- Die Renovierung der Jahrzehnte alten Technik, insbesondere der Steuerung und Überwachung. Das wird sehr teuer!
- Ausbildung deutschen Know-Hows bei Ingenieuren und Technikern. Aber wer will das heute noch studieren, wenn die Technik so in Verruf geraten ist?
- Die Neugenehmigung inklusive (eventuell) der Klärung der Haftung bei Unfällen. (Die alten KKWs waren nicht versichert. Da hätte bei Unfällen der Staat gehaftet!)
- Neuartige Reaktoren mit geringeren Unfallrisiken sind im Gespräch aber kommerziell noch nicht verfügbar. Außerdem teilen sie ja die meisten anderen Nachteile der Kernenergie.
- Der Brennstoff (Uran) ist nicht nachhaltig d.h. nur begrenzt in der Erdkruste vorhanden.
- Die Brennstoffe (Uran) müsste man aus Russland beziehen. Man machte sich also wieder abhängig von Staaten, die uns nicht wohlgesonnen sind.
- Die Kernfusion ist technisch noch nicht verfügbar und es ist unklar, ob sie es je sein wird.
- Jeder Einsatz von Atomtechnik wäre also mit den Risiken der zeitlichen Verzögerung behaftet, die wir uns angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht leisten können.
- Das Problem der Endlagerung abgebrannter Brennelemente ist noch nicht geklärt. Problemstoffe müssen über viele Jahrtausende von der Biosphäre fern gehalten werden. Das ist kaum zu garantieren.
- Last not least basiert die Kernkraft mit der Verwendung von Uran auf derselben Technologie wie Kernwaffen, also Atombomben. Beherrscht man die eine Technik, ist es nicht mehr ganz so weit bis zur anderen. Aus diesem Grund hilft ein Verzicht auf AKWs auch der Eindämmung von Atomwaffen.
Was sagt der Expertenrat?
Der mit einem gesetzlichen Auftrag versehene Expertenrat für Klimafragen schreibt in seinem Zweijahresgutachten 2024: „Laut Klimaschutzgesetz muss eine neue Bundesregierung innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode ein Klimaschutzprogramm vorlegen. Vor dem Hintergrund der vorgezogenen Bundestagswahl und basierend auf den Ergebnissen der in diesem Gutachten durchgeführten Analysen liefert der Expertenrat eine Einordnung zur Ausrichtung der Klimaschutzpolitik Deutschlands und formuliert dabei Anforderungen an die zukünftige Klimaschutzpolitik.
Die Ergebnisse dieses Gutachtens unterstreichen das hohe Ambitionsniveau der im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebenen politischen Ziele und lassen das Erreichen dieser Ziele ohne wesentliche Anpassungen in der Ausrichtung der Klimaschutzpolitik fraglich erscheinen.“
Mit anderen Worten: Auch ein grüner Klimaschutzminister Habeck konnte innerhalb der Ampel-Koalition keine ausreichende Wirkung entfalten, auch wenn er das sicherlich gerne getan hätte – die FDP stand auf der Bremse. Siehe auch meinen Beitrag zur Technologieoffenheit.
Das Zweijahresgutachten zeigt deutlich die unverändert hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Gebäude und Verkehr auf. Wenn man sich vor Augen führt, wie vehement die CDU/CSU-Opposition die zielführenden Vorhaben von Robert Habeck bekämpft hat, kann man sich fragen, ob und wie eine unionsgeführte Bundesregierung hier die vom Klimaschutzgesetz geforderten, ambitionierten Ziele erreichen kann.